Kolumbien: Gelebte Befreiungstheologie

In Calis Elendsviertel stärkt ein Kulturzentrum die Sehnsucht der Frauen nach einem Leben in Fülle. Kunst, Lebensberatung und spirituelle Gemeinschaft sind Lichtblicke im Alltag.

Vertrieben und ausgegrenzt: neue Heimat Elendsviertel

In der Comuna 18, einem Stadtteil im Süden Calis, leben über 100.000 Menschen, hauptsächlich Binnenvertriebene. Sie sind vor Hunger und Krieg geflohen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch diese wird oft enttäuscht: menschenwürdiger Wohnraum, Strom- und Wasseranschluss sind ebenso rar wie Arbeitsplätze oder Bildungseinrichtungen. Stattdessen dominieren Ausgrenzung, Kriminalität und Gewalt den Alltag.

Von der Befreiungstheologie zu den Frauenrechten

Viele haben selbst nach Jahrzehnten kaum Wurzeln geschlagen. Für sie ist das Kulturzentrum „Einander Schwestern sein“ (CCTS) eine wichtige Anlaufstelle.

1976 von einer christlichen Basisgemeinde gegründet, konzentrierte sich die Arbeit bald auf Frauen und Kinder.

„Als wir die Ausgrenzung der Frauen in dieser kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft jeden Tag besser verstanden“, erzählt die Leiterin Carmiña Navia, „begannen wir das kritische Bewusstsein der Frauen und ihren Widerstand gegenüber einer patriarchalen Gesellschaft, die sie ausgrenzt und unterdrückt, zu stärken“.

Die eigene Würde wiederentdecken

Für viele Frauen ist das breite Kulturangebot in den beiden CCTS-Stadtteilzentren ein Gegenpol zur allgegenwärtigen Gewalterfahrung.

Ob mit Theater- oder Kunsthandwerk, in Schreibwerkstätten oder Literaturzirkeln, in der Krisen-Anlaufstelle oder bei gemeinsamen Frauenrechtsaktionen: Die Partnerorganisation des Weltgebetstags, CCTS, schafft vielfältige Zugänge zu Themen, die den Frauen unter den Nägeln brennen.

Darunter sind Gewalt gegen Frauen, familiäre Konflikte, Spiritualität, Frauenrechte, und viele mehr.

„Wenn eine Frau ihre Talente entfaltet, trägt dies zu ihrer Befreiung und Heilung bei, ob sie sich dessen bewusst ist oder nicht“, so Carmiña. „Frauen wurden jahrhundertelang ausgeschlossen und misshandelt. Sie müssen ihre Selbstachtung wiedergewinnen, dann sind sie stark und können für ihre Rechte einstehen“.

Herausforderung Religion und Frauenrechte

CCTS hat landesweit einen guten Ruf als christlich-feministisches Bildungszentrum, das auch heiße Eisen anpackt:

„Die traditionelle Religiosität vieler KolumbianerInnen ist ein Nährboden für frauenfeindliches und gewalttätiges Verhalten. Diese zu transformieren und Recht und Gerechtigkeit für Frauen zu erwirken, das gehört zu den großen Herausforderungen der Kirche in unserer Zeit. Vielleicht brauchen wir dazu eine neue ökumenische Dekade für Frauen“, schließt Carmiña.


Projekt-Kurzinfo

Projekttitel: Geschlechtersensible Persönlichkeitsentwicklung und Gewaltprävention
Ort/Region: Cali, Comuna 18
Förderschwerpunkt: Frauenperspektiven in Kirche, Ökumene und interreligiösem Dialog
Partnerorganisation: Casa Cultural Tejiendo Sororidades (CCTS)
Laufzeit: Januar bis Dezember 2017
WGT-Beitrag: 21.362 €