Guatemala: Ein „Leben in Fülle“ für alle
AFEDES setzt auf Ernährungssouveränität als Schlüssel für Eigenständigkeit.
In Guatemala konzentriert sich der nationale Reichtum in den Händen einer winzigen Oberschicht von Weißen und Ladinos, während die indigene Bevölkerungsmehrheit überwiegend weit unter der Armutsgrenze lebt. Da für sie die Landwirtschaft nach wie vor eine der wichtigsten Einkommensquellen darstellt, trifft sie die ungerechte Landverteilung und die an den Interessen der Eliten ausgerichtete Agrarpolitik besonders hart. Fazit: Armut in Guatemala ist ländlich und indigen, weil struktureller Rassismus die Privilegien der Mächtigen absichert.
Frauen zwischen Ethnozentrismus und patriarchaler Dominanz
Die Partnerorganisation des Weltgebetstags „Asociación Femenina para el Desarrollo de Sacatepéquez“ (AFEDES) wirft einen sehr kritischen Blick auf diesen strukturellen Rassismus, verweist aber auch auf die patriarchalen Prägungen in den indigenen Gemeinschaften selbst, die den Frauen das Leben schwer machen. Beides müsse auf den Prüfstand – die wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung als Indigene und die Diskriminierung als Frau. Frauen brauchen laut AFEDES mehr Spielraum, um ihre Unterordnung zu hinterfragen. Nur so können sie ihre verinnerlichte Selbstgeringschätzung überwinden und ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zum Positiven wenden.
Deshalb begann AFEDES in 19 Gemeinschaften, mit den Frauen intensiv über Diskriminierung, Rassismus und patriarchale Unterdrückungsstrukturen nachzudenken. Gemeinsam formulierten sie die Vision eines „Lebens in Fülle“ für alle (Utz K`aslmemal, auf Kaqchikel), die soziale Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit prinzipiell mitdenkt. „Dieser Prozess half uns, ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln“, sagt Angelina von AFEDES. „Wir verstehen heute besser, wie uns das kapitalistische Wirtschaftsmodell in einen Teufelskreis aus Armut und Abhängigkeit hineingezwungen hat und uns auch noch glauben lassen will, die Verantwortung dafür läge bei uns selbst.“
Selbstversorgung und Selbstbestimmung
Ein Herzstück von „Utz K`aslmemal“ ist die Ernährungssouveränität, also die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, was man anbauen und essen möchte. 120 Frauen sind inzwischen in agroökologischen Produktions- und Vermarktungsgruppen organisiert und sichern damit die Selbstversorgung ihrer Familien. 10 Frauen haben ihr Wissen über Heilkräutermedizin vertieft und in den Gemeinschaften Kräutergärten angelegt; dies spart den Familien Geld und macht sie vom defizitären staatlichen Gesundheitssystem unabhängiger. Was besonders wichtig ist: die Frauen sind selbstbewusster geworden: „Wir wollen unser Frausein im Einklang mit unserem Maya-Sein leben“, erklärt Angelina. „Für uns kommt es nicht infrage, mit unserer Herkunft zu brechen, was viele Feministinnen nicht verstehen. Dabei liegt die Herausforderung für uns gerade darin, uns von Zuschreibungen zu befreien und selbst zu bestimmen, wer wir sein wollen – als Frauen und als Indigene.“
Projekt-Kurzinfo
Projekttitel: Ernährungssouveränität durch Stärkung indigener agro-ökologischer Produktionssysteme
Förderschwerpunkt: Ernährungssouveränität
Ort/Region: Sacatepéquez und Santa Lucía Utatlán
Partnerorganisation: Asociación Femenina para el Desarrollo de Sacatepéquez (AFEDES)
Laufzeit: Januar 2023 bis Dezember 2024
WGT-Beitrag: 44.994 €
Unser Kollekten-Konto: Weltgebetstag der Frauen - Dt. Komitee e. V., Ev. Bank eG, Kassel, IBAN: DE60 5206 0410 0004 0045 40, BIC: GENODEF1EK1