Georgien: Kaum mehr Europa, noch nicht richtig Asien

Würden wir gefragt, wo Kinderheirat noch immer ein großes Thema ist, so würde die Mehrheit sicher nicht Georgien nennen.

Doch gerade von dort, wo sich Europa und Asien treffen und die Menschen unterschiedlichsten Völkern und Religionen angehören, erreichen uns alarmierende Zahlen zu Zwangs- und Frühverheiratung, zu Teenagerschwangerschaften und sexualisierter Gewalt. Laut Unicef heiraten 14 Prozent der georgischen Frauen vor ihrer Volljährigkeit, obwohl das Mindestalter für eine Eheschließung bei 18 Jahren liegt und nur mit Erlaubnis der Eltern ab 16 geheiratet werden darf. Kinderehen gelten bei den insgesamt nach Europa orientierten Georgier*innen zwar als unzeitgemäß, doch in den Parallelgesellschaften verschiedener ethnischer Minderheiten existiert die Tradition weiter. Die arrangierten Ehen gehen oft mit Unterdrückung und häuslicher Gewalt einher. Für die betroffenen Mädchen ist die Schulzeit mit der Heirat vorbei, sie leben sozial isoliert und werden innerhalb kürzester Zeit schwanger.

Auf dem Spiel stehen Gesundheit und Lebenschancen

Unlängst schrieben unsere Partnerinnen des Union Women Center (UWC) in Tiflis dazu: „Gerade beraten wir über den Fall eines zwölfjährigen Mädchens, das kurz vor der Entbindung steht. Keiner kann sagen, ob ein Kaiserschnitt oder eine Spontangeburt besser für sie ist. Der Vater ist auch erst 13 Jahre alt“. Um genau solche Situationen zu verhindern, gründeten sie sich 1996 als Verbund von Fachfrauen (Ärztinnen, Psychologinnen, Soziologinnen, Juristinnen, Ökonominnen) mit dem Ziel, die Einhaltung von Frauen- und Kinderrechten in Georgien voranzubringen und Frauenhandel einzudämmen.

Viele Stellschrauben müssen verändert werden

Aus Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte wissen unsere Partnerinnen genau, wie aufwändig und mühsam es ist, traditionelle Verhaltensweisen zu beeinflussen: Eltern, Lehrer*innen, Angestellte in Sozialbehörden, medizinisches Personal, religiöse Autoritäten und örtliche Führungspersönlichkeiten müssen – teils mit mehr, teils mit weniger Aufwand davon überzeugt werden, dass Kinder und besonders Mädchen ein Recht auf freie Entfaltung und ein Leben frei von physischer und psychischer Gewalt haben. Erst wenn alle an einem Strang ziehen, kann sich gesellschaftlicher Wandel vollziehen.

Keine Mühe ist vergebens

Doch am Ende „kann man immer etwas erreichen“ weiß die Projektleiterin Dr. Iatamze Verulashvili, die auch in den entlegensten Bergregionen schon Veranstaltungen organisiert und Fachpersonal geschult hat. Denn persönliche Überzeugungsarbeit durch Fachpersonal zählt nicht gering in einem Land, in dem viele keine abgeschlossene Schulbildung haben. Deshalb unterstützen wir das Union Women Center dabei, Hausbesuche zu absolvieren, Multiplikatorinnen auszubilden, Schulen und Behören zu sensibilisieren und die Öffentlichkeit über die Gefahren von Kinderheirat aufzuklären. Schließlich sollen sich minderjährige Mädchen in Georgien künftig ausschließlich den Kopf über Schulaufgaben, nicht über Schwangerschaft und Entbindung zerbrechen müssen.  

Aufklärungsarbeit an Schulen, © UWC

Projekt-Kurzinfo
Projekttitel: Prävention von Kinderheirat und Mädchenhandel im südlichen Georgien
Förderschwerpunkt:: Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und sexualisierter Gewalt
Partnerorganisation: Union Women Center
Laufzeit: Januar 2023 bis Dezember 2024
WGT-Beitrag: 29.959€ für die gesamte Laufzeit

Unser Kollekten-Konto: Weltgebetstag der Frauen - Dt. Komitee e. V., Ev. Bank eG, Kassel, IBAN: DE60 5206 0410 0004 0045 40, BIC: GENODEF1EK1