Freudentränen in Chile

Plakat von Red Chilena

Erfolgreiche Volksabstimmung für neue Verfassung

„Es ist weit nach Mitternacht und ich bin mit meiner Familie auf der Plaza. Ganz Chile ist am Feiern, wir haben es geschafft! Es wird eine neue Verfassung geben und wir, die Bürgerinnen und Bürger Chiles, werden sie gemeinsam ausarbeiten… Bei uns rollen Freudentränen.”

Mit dieser begeisterten Nachricht weckte uns Pamela Caro, langjährige Partnerin des Weltgebetstags, am Montag 26.10. Caro arbeitet eng mit der Organisation ANAMURI (Dachverband ländlicher und indigener Frauenorganisationen) zusammen. 78 Prozent der Stimmberechtigten hatten am Sonntag in Chile bei einer Volksabstimmung für eine neue Verfassung gestimmt und damit für das Ende der noch zu Zeiten der Militärdiktatur unter Pinochet ausgearbeiteten Verfassung votiert.

Auch über die Form besteht Konsens: Fast 79 Prozent sprachen sich dafür aus, den Text in einer ausschließlich aus Bürger*innen zusammengesetzten verfassungsgebenden Versammlung, der Constituyente, zu erstellen. Und nicht nur das: Diese Versammlung soll jeweils zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt sein. Die 155 Mitglieder der Constituyente sollen im April 2021 gewählt werden. „ANAMURI war intensiv an der Vorbereitung der Volksabstimmung beteiligt”, so Caro, „wir werden ganz sicher Kandidatinnen für die Constituyente aufstellen. Vor uns liegt ein wunderbarer Prozess: wir werden gemeinsam festlegen, wie wir leben wollen.”

Die Verankerung sozialer Grundrechte in der neuen Verfassung ist eine Kernforderung der sozialen Bewegungen. Soledad Rojas, von der Partnerorganisation La Red Chilena (Chilenisches Netzwerk zur Abschaffung von Gewalt gegen Frauen), präzisiert:

„Wir wollen eine Verfasung, in der die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte festgeschrieben wird, in der niemand Partikularinteressen geopfert wird. Wir wollen eine Gesellschaft, die sich als ganze zuständig erklärt für die Sorgearbeit und diese nicht nur den Frauen aufbürdet. Und wir wollen, dass in der neuen Verfassung explizit das Recht von uns Frauen auf ein Leben ohne Gewalt festgehalten wird.”

Die Constituyente hat maximal ein Jahr Zeit, einen Vorschlag für die neue Verfassung auszuarbeiten. Diese muss von einer Zweidrittel-Mehrheit des Gremiums verabschiedet und anschließend von der Bevölkerung in einem weiteren Plebiszit ratifiziert werden. Während die Teilnahme am Volksentscheid freiwillig war, wird für die Abstimmung über die neue Verfassung Wahlpflicht gelten.

weitere Informationen:

Verfassungsplebiszit in Chile: Das späte Ende der Diktatur” - Artikel auf der Webseite der Heinrich-Böll-Stiftung