Brief an das Palästinensische Komitee

Der Vorstand antwortet auf das Schreiben vom 17.01.2024.

Liebe Sally Azar,

liebe Kolleginnen im palästinensischen Komitee des Weltgebetstages!

 

Wir bedauern sehr, dass es angesichts der von uns aktualisierten Version der Weltgebetstagsliturgie 2024 zu einem solchen Dissens gekommen ist. Die Ergänzungen sind einer seit dem 7. Oktober 2023 noch weiter polarisierten Diskussion in Deutschland geschuldet und als ergänzende Information für unseren speziellen Kontext gedacht – weder als Affront oder Verfälschung der ersten Fassung, noch als Infragestellung palästinensischer Lebenswirklichkeit.

Ihr sagt in Eurem Schreiben vom 17. Januar 2024 zu der Anfang Januar veröffentlichten Gottesdienstordnung, „diese Bearbeitungen (sind) nicht von uns autorisiert, gebilligt oder freigegeben“. Wir nehmen wahr, dass sie aus Eurer Sicht ein Ausdruck mangelnden Respekts gegenüber Euren Erfahrungen sind und „die grundlegenden Prinzipien“ des WGT zu untergraben drohen. Beides tut uns leid und ist sicher nicht beabsichtigt! Zur Auslegung der WGT- Prinzipien allerdings, darüber haben wir uns ja bereits ausgetauscht, sind wir unterschiedlicher Auffassung.

Nach Beratungen im deutschen WGT-Komitee am 23. Januar und in dessen Auftrag möchten wir als Vorstand versuchen, unser Vorgehen noch einmal zu erläutern. In der Hoffnung, Missverständnisse auszuräumen oder vielleicht auch mit unterschiedlichen Auffassungen leben zu können. Denn aus unserer Sicht stellen sich die Ereignisse der letzten Wochen anders dar. Zu den einzelnen Punkten:

In Absatz 4 Eures Briefes heißt es, dass „bestimmte Informationen“ in der Liturgie fehlen. Leider wird nicht deutlich, was genau. Der Großteil der Aktualisierungen sind Ergänzungen, nicht Streichungen. Im neuen Vorwort etwa wird auf die aktuelle Lage eingegangen und betont, dass die Lebenssituation unserer christlichen Geschwister in Palästina und aller Menschen dort seit dem 7. Oktober noch schwieriger geworden ist als schon zuvor. Das zentrale Anliegen ist unverändert, ihre und Eure authentischen Stimmen hörbar zu machen.

In Absatz 5 bezeichnet Ihr es als „Tatsache“, dass statt der palästinensischen Organisation Wings of Hope jetzt ein israelisches Projekt unterstützt werden soll. Das stimmt nicht und ist ein bedauerliches Missverständnis. Die Kollekte des Weltgebetstags geht nicht an ein einzelnes, in der Liturgie vorgestelltes Projekt, sondern an alle rund 150 deutschen WGT- Projekte weltweit, davon derzeit 12 in Palästina und Israel. Selbstverständlich fördern wir Wings of Hope weiter, denn wir sind überzeugt, dass es eine großartige und unverzichtbare Arbeit ist! Es gibt einen verbindlichen Fördervertrag. In der aktualisierten Ordnung haben wir uns aber für MachsomWatch entschieden, um der Kritik der israelischen Aktivistinnen am aktuellen Vorgehen Israels, an Menschenrechtsverletzungen und dem Leid der Menschen in Palästina Nachdruck zu verleihen. Diese Realität, die in Deutschland vielfach ausgeblendet wird, soll damit benannt werden.

Im Folgenden (ab S. 2 oben) geht es um die Kommunikation zwischen unseren beiden nationalen Komitees und Euren Eindruck, dass die „Änderungen in der WGT-Liturgie nicht im Einklang mit unserer Besprechung und E-Mail-Kommunikation stehen“. Ihr sprecht von einer „klaren Ablehnung“ für die jetzige Version und dass in der Gottesdienstordnung zu Unrecht „suggeriert“ würde, sie sei einvernehmlich entstanden.

Die Wahrnehmung der Kommunikation von unserer Seite sieht anders aus: Kurz vor Drucklegung ist der überarbeitete Liturgieentwurf am 8. Dezember 2023 vorab vertraulich an Sally Azar als Vorsitzende des palästinensischen Komitees gegangen. Sie hat einige inhaltliche Anmerkungen gemacht, die weitgehend aufgenommen wurden. Ihr Kommentar per Mail vom 9. Dezember: „Bei der Durchsicht der Gottesdienstordnung finde ich es ganz in Ordnung, dass ihr vieles erklärt und extra kontextualisiert, (das) ist verständlich.“ Auf diesem Hintergrund können wir euren Eindruck von „zum Teil sinnentstellenden Umstellungen, Einfügungen, Streichungen und Ergänzungen“ nicht nachvollziehen.

Zum Schluss noch eine Erwiderung zum Thema fehlende Autorisierung: In unserer Kommunikation ging es nie um eine Autorisierung der einen oder anderen Liturgiefassung, das ist weder üblich noch möglich. Wie sollte ein nationales WGT-Komitee die Übertragung von Gottesdienstordnungen und ergänzenden Texten in rund 100 Sprachen weltweit autorisieren, billigen oder freigeben – wie Ihr es erwartet? Entsprechend ist in den Internationalen Leitlinien des WGT von 2007 (Top 3b) von einer Kontextualisierung für Übersetzung und Gestaltung die Rede. Diese Möglichkeit haben wir von Anfang an und auch jetzt für die Aktualisierung in Anspruch genommen.

Noch ein kurzer Blick in die Kirchengemeinden hier vor Ort: Uns ist bewusst, dass die Lebenswirklichkeiten bei uns und bei euch sehr verschieden sind. Viele in Deutschland wissen kaum etwas über den Alltag in Palästina, auch prominente Namen wie Shireen Abu Akleh etwa sind unbekannt, wie wir in der WGT-Vorbereitung erlebt haben. Noch schwieriger ist es für viele, die Ereignisse seit dem 7. Oktober zu verstehen – das führt zu Verunsicherung. In diesen Fragenhorizont hinein haben wir die aktualisierte Liturgie geschrieben und bekommen jetzt Rückmeldungen, dass das offenbar eine wichtige Hilfe ist. Eine Verantwortliche hat uns gerade gemailt:

 „Teams aus mehreren Gemeinden, deren erste Reaktion war, den WGT 2024 ausfallen zu lassen, haben sich nun zu unserer Werkstatt angemeldet, sodass wir hier, im äußersten Südwesten von Baden, mit ca. 70 Frauen den 1. März und die vorausgehende Kommunikation vorbereiten können.“

In diesem Sinne hoffen wir auf Euer Verständnis für unser Vorgehen, auch wenn die Kommunikation vielleicht nicht immer ideal war. Vielleicht wäre es gut, sich noch einmal zu einem gemeinsamen Zoom-Meeting zu treffen?

Unser Wunsch im WGT-Komitee und im Vorstand ist es, dass dieser Brief zur Klärung der kontroversen Punkte beitragen und vielleicht auch etwas vom geschwisterlichen Vertrauen wiederherstellen kann. Denn wir sind überzeugt, dass die Gottesdienstliturgie auch in der jetzigen Fassung das widerspiegelt, worum es uns gemeinsam geht - wie Ihr am Schluss Eures Briefes schreibt: die reiche Vielfalt und die authentischen Stimmen der palästinensischen Gemeinschaft widerzuspiegeln.

                                                                                       

Mit herzlichen Grüßen

vom Vorstand des Weltgebetstages der Frauen in Deutschland

Ulrike Göken-Huismann, Mona Kuntze, Brunhilde Raiser, Cornelia Trommer-Klimpke

 

Brief des Palästinensischen Komitees vom 17.01.2024