10 Fragen an den Weltgebetstag

- und ihre Antworten zur aktuellen Situation im Nahen Osten.

 

Gebet als Hoffnungszeichen

10 Fragen an den Weltgebetstag (WGT)

 

Der Anschlag der islamistischen Terrorgruppe Hamas in Israel vom 7. Oktober 2023 hat die Situation im Nahen Osten dramatisch verändert. Hunderte schwer bewaffnete Hamas-Kämpfer aus dem Gazastreifen haben innerhalb weniger Stunden 1.400 Israelis in Dörfern, Kibbuzim und auf einem Festival im Süden des Landes ermordet, mehr als 200 wurden als Geiseln verschleppt. Israel hat den Kriegszustand ausgerufen und einen Gegenangriff auf den dicht besiedelten Gazastreifen gestartet, wo rund 2.3 Millionen Palästinenser*innen ohne Fluchtmöglichkeit auf engstem Raum leben. Auch hier starben bereits in den ersten Tagen tausende Menschen, unzählige wurden verletzt.

Diese Ereignisse haben Auswirkungen auch auf den Weltgebetstag 2024 zu Palästina, für den das Vorbereitungsmaterial wie jedes Jahr bereits im September veröffentlicht wurde. Aus aktuellem Anlass - 10 Fragen an den WGT:

1. Kann der WGT 2024 angesichts dieser Situation überhaupt stattfinden?

Der Weltgebetstag ist seit seinem Bestehen seit fast 100 Jahren eine Bewegung des Friedensgebets. Dieses Gebet ist heute in der von Gewalt, Hass, Angst und großem Leid auf beiden Seiten geprägten Situation in Israel und Palästina wichtiger denn je. Mit seinem aktuellen Motto „…durch das Band des Friedens“ sendet der WGT ein weltweites Hoffnungszeichen aus, dass Wege zum gemeinsamen Leben in der Region gefunden werden können; auch wenn jetzt noch niemand weiß, ob die Gottesdienste im März mehr vom Feiern oder von Trauer und Klage bestimmt sein werden.

2. Wie ist die Position des WGT- Komitees zum Konflikt?

Das deutsche WGT-Komitee und der Vorstand sind bestürzt über das Ausmaß der Gewalt in Israel und Palästina. Wir greifen die Formulierung des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm auf (Süddeutsche Zeitung, 16. Okt. 2023): „Niemand hat das Recht auf Terrorismus.“ - Wir haben kein Verständnis für die Gewalt- und Terrorakte der Hamas und verurteilen sie aufs Schärfste. Wir halten aber auch daran fest, dass Verbrechen keine weiteren Verbrechen rechtfertigen – von daher erwarten wir von allen Konflikt - bzw. Kriegsparteien, dass sie sich an das humanitäre Völkerrecht und den Schutz der Zivilbevölkerung halten.

3. Kann die Liturgie aus Palästina noch wie vorgesehen gebetet werden?

Die Aussagen und Inhalte der Gottesdienstliturgie sind durch die schrecklichen Ereignisse nicht unwahr oder unzutreffend geworden. Allerdings fehlen Aspekte wie etwa Klagen und Bitten zur veränderten Situation. Das muss berücksichtigt werden.

Gleichzeitig ist es wichtiger denn je, den Gottesdienst zu begehen und auf die Stimmen der christlichen Palästinenserinnen zu hören. Zurzeit werden sie angesichts der wichtigen Solidaritätsbezeugungen für Israel und der entschiedenen Distanzierung vom Terror der Hamas vergessen – aber sie sind nicht identisch mit der Hamas. Pastorin Sally Azar vom WGT-Komitee aus Jerusalem schreibt: „Wir hoffen inständig, dass die aktuellen Ereignisse die Menschen nicht davon abhalten, in diesen schwierigen Zeiten für Palästina zu beten und ihm beizustehen.“ Dieser Bitte wollen wir nachkommen.

4. Dürfen wir die Gottesdienstordnung verändern? Gibt es Bausteine dazu vom deutschen Komitee?

Tatsächlich braucht die Gottesdienstordnung eine Aktualisierung, eine Hinführung oder ein weiteres Vorwort etwa. Wir hoffen auf eine solche Aktualisierung durch das palästinensische Komitee. Ergänzend wird das deutsche Komitee ggf. eigene aktuelle Bausteine zur Verfügung stellen. 

Wie immer können aber auch 2024 Fürbitten ergänzt werden und aktuelle Informationen einfließen. Sicherlich ist es auch wichtig zu erklären, wann die Gottesdienstordnung entstanden ist: schon zwei bis drei Jahre im Voraus.

Der Gottesdienst sollte als Einheit gesehen und möglichst nicht verändert werden. Das deutsche Komitee hält daran fest, die Stimme der Palästinenserinnen zu hören und ihre Sehnsucht nach einem gerechten Frieden wahrzunehmen.

5. Was sagen das internationale und das palästinensische WGT-Komitee zur Situation – gibt es von dort Vorschläge?

Beide haben bereits eine Stellungnahme des palästinensischen Komitees veröffentlicht, die im englischen Original und in deutscher Übersetzung auf unserer Website zu finden ist. Vom internationalen Komitee des Weltgebetstages (WDP) hätten wir uns allerdings eine klarere Distanzierung von der Hamas als Terrororganisation und ihrer Gewalt gewünscht. Vom palästinensischen Komitee erhoffen wir uns (siehe 4.) eine Aktualisierung der Liturgie.

6. Wir haben demnächst Vorbereitungstreffen und Werkstätten, was sollen wir tun?

Wir empfehlen dringend, keine Termine ausfallen zu lassen. Das Vorbereitungsmaterial ist weiterhin gut geeignet, auch wenn es jetzt fortgeschrieben werden muss. Wir werden nötige Aktualisierungen nach und nach zur Verfügung stellen, voraussichtlich als kostenfreien Download auf der WGT-Website.

Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, die Teilnehmerinnen der Veranstaltungen bei ihrem jeweiligen Wissensstand und ihrer oft emotionalen Einschätzung des Konflikts in Israel/Palästina abzuholen. Dabei ist es wichtig, nicht nur auf die die Situation in Israel zu sehen, sondern den Blick aus Anlass des WGT 2024 vor allem auch auf die Lebenswirklichkeit der Palästinenser*innen im Westjordanland und in Gaza zu richten.

7. Wo finde ich differenzierte Informationen zur Situation in Israel und Palästina, über die Hamas und Gaza?

Wir stellen einige Artikel und Links auf der Website unter dem Menüpunkt „Weltgebetstag 2024 Palästina“ unter den Download-Angeboten zur Verfügung. Zeitnah gibt es dort auch Infos zu Hamas und Gazastreifen. Im Übrigen ist es immer ratsam, sich aus mehreren Quellen wie Zeitung, Radio, Fernsehen und online zu informieren, um sich aus der Unterschiedlichkeit eine eigene Meinung bilden zu können.

8. Welche Projekte unterstützt das deutsche Komitee?

Im Nahen Osten unterstützt der Weltgebetstag derzeit sechs Projekte in Israel, sechs im Westjordanland, zwei in Gaza und eins im Libanon. Einige Beispiele: Eine unserer Partnerorganisationen in Israel ist MachsomWatch (MW), in der jüdische Frauen Menschenrechtsverletzungen an Grenzübergängen, Checkpoints und im Westjordanland dokumentieren. Für das Women‘s Center for Legal Aid and Counselling (WCLAC) und die Annahda Women’s Association (AWA) in Ramallah steht die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und die politische Teilhabe von Frauen im Vordergrund. Mit Wings of Hope for Trauma (WoH) in Bethlehem unterstützen wir die Qualifizierung von Fachpersonal zur Traumabehandlung. In Bethlehem ansässig ist auch die Dar al-Kalima University mit Schwerpunkt Kunst, Kultur und Design. In Gaza fördern wir die Arbeit der Zeina Frauenkooperative für nachhaltiges Kinderspielzeug und die Society Voice Foundation (SVF), die sich unter anderem für Geschlechtergerechtigkeit engagiert.

9. Es gibt Kritik an politischen Aussagen der Künstlerin des Titelbildes – was sagt der WGT- Vorstand dazu?

Die in Gaza aufgewachsene junge Künstlerin Halima Aziz und ihr Titelbild für 2024 wurden gemeinsam vom internationalen und vom palästinensischen Komitee ausgesucht. Wir überprüfen die Vorwürfe, Halima Aziz habe sich nach den Anschlägen vom 7. Oktober über die sozialen Medien mit der Hamas solidarisch gezeigt. Sollten sich diese Vorwürfe bewahrheiten, werden wir uns klar distanzieren und diese Stellungnahme dem jeweiligen Material beilegen. 

10. Unterstützen die Kirchen den WGT 2024?

Wir wünschen uns, dass unsere Kirchen und Verbände den Weltgebetstag unterstützen, auch und gerade 2024. Die Gottesdienstliturgie stammt aus Palästina und ist für die ganze Welt bestimmt - auch für Christ*innen in Deutschland, mit seiner historisch geprägten besonderen Beziehung zu Israel. Von daher freuen wir uns über alle Unterstützung und Begleitung der Kirchen, der WGT versteht sich aber als unabhängige ökumenische Basisbewegung.

Vorstand des Weltgebetstages der Frauen in Deutschland

Stein bei Nürnberg, 25. Oktober 2023

 

Zehn Fragen an den Weltgebetstag (PDF)