Ohne Wahrheit keine Sicherheit

Jedes Jahr verschwinden in Mexiko tausende Menschen spurlos.

Ein Schicksal, das häufig jene trifft, die sich für Menschen- und Frauenrechte engagieren.

Unsere Partnerorganisation ALUNA trainiert Aktivist*innen im Umgang mit dieser Gefährdungslage. Die Mitarbeiter*innen von ALUNA bestärken die Betroffenen darin, nicht nachzulassen auf der Suche nach Wahrheit.

Riskantes Engagement

Frauen- und Menschenrechte zu verteidigen, bedeutet in Mexiko ein sehr hohes persönliches Risiko. Wer die an Rechtsbeugung und Straflosigkeit gewöhnte Oberschicht offen kritisiert, unterzeichnet damit nicht selten das eigene Todesurteil.

Oft geraten Menschen völlig unverschuldet zwischen die Fronten rivalisierender Drogen-Kartelle. Schutzgelderpressung, Entführungen und außergerichtliche Hinrichtungen sind an der Tagesordnung. Eine Anfang 2022 veröffentliche Studie spricht von mehr als 95.000 offiziell als verschwunden geltenden Personen.

Strukturelle Straflosigkeit

Eine besonders grausame Form, Aktivist*innen für ihr Engagement zu „bestrafen” ist das gewaltsame Verschwindenlassen. Vom mexikanischen Staat ist kaum Schutz zu erwarten. Seine Korruptionsanfälligkeit und Verstrickung ins organisierte Verbrechen sind legendär. Plötzliche Festnahmen, willkürliche Haftstrafen und Justizverschleppung sind an der Tagesordnung.

Selbst wenn außergerichtliche Tötungen publik und/oder geheime Friedhöfe entdeckt werden, besteht staatlicherseits kaum Interesse an Aufklärung.

Selbstfürsorge und gegenseitige Unterstützung

Meist sind es Frauen, die angesichts der Untätigkeit des Staates nach Mitteln und Wegen suchen, um den Verbleib ihrer Angehörigen aufzuklären. Damit bringen sie sich und ihre Familien nicht selten selbst in Lebensgefahr.

Um dem entgegenzuwirken hat unsere Partnerorganisation ALUNA ein spezielles Programm entwickelt. Es kombiniert Risikoprävention mit Selbstfürsorge: Die Aktivist*innen lernen, Gefährdungssituationen zu identifizieren, sie einzuordnen, ihnen vorzubeugen bzw. sich in lebensbedrohlichen Situationen adäquat zu verhalten und kollektive Selbstschutz-Strategien zu entwickeln.

Denn nicht die Aufopferung „um jeden Preis“ sei zielführend, so Clemencia Correa, die Leiterin von ALUNA, sondern der Erhalt der persönlichen und kollektiven Handlungsfähigkeit.

Kein Verschweigen der Wahrheit

„Der beste Schutz ist eine starke Interessenvertretung“, fährt Clemencia fort, „deshalb geht es in unseren Sicherheitstrainings nicht nur um Risikominimierung, also die Bewertung der eigenen Gefährdungslage und angemessener Schutzmaßnahmen.“

Ebenso wichtig sei es, die Aktivist*innen in ihrem Recht zu bestärken, die Wahrheit zu erfahren: „Sie werden ja gerade deshalb bedroht, weil sie sich herrschenden gesellschaftlichen und patriarchalen Gewaltverhältnissen nicht stillschweigend fügen,“ so Clemencia.

„Deshalb beinhaltet unser Sicherheitsbegriff das Recht auf Wahrheit. Sie nicht zu verschweigen ist der Schlüssel, um künftigen Menschenrechtsverletzungen den Boden zu entziehen. Und dies ist die Basis für ein Leben in Würde für alle.“

 

Hintergrund:

  • Der Weltgebetstag Deutschland unterstützt die mexikanische Organisation ALUNA seit 2017 bei der Integration ihres Arbeitsansatzes in die Menschenrechtsarbeit. ALUNA trainiert interessierte Organisationen, begleitet sie bei den ersten Schritten der Umsetzung und fördert ihre landesweite Vernetzung.
  • Der Internationale Tag für das Recht auf Wahrheit über schwere Menschenrechtsverletzungen und für die Würde der Opfer wurde 2010 durch die Vereinten Nationen zu Ehren von Erzbischof Oscar Arnulfo Romero initiiert und für den 24. März festgelegt. Romero wurde 1980 in San Salvador ermordet.