Palästina: „Naturschutzgebiete für die Seele“ mitten in Bethlehem

Die Organisation Wings of Hope for Trauma in Bethlehem unterstützt viele Palästinenser*innen bei der Traumabewältigung und -bearbeitung ihres Alltags. Mit der individuellen Aufarbeitung und der personellen und strukturellen Ausbildung von traumatherapeutischen Angeboten werden so vielversprechende Grundlagen für ein friedlicheres Miteinander geschaffen.

Vielfältige Formen von Gewalt und Traumata

Durch die Besatzungssituation ist der Alltag der Palästinenser*innen seit langem geprägt von Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit, Diskriminierung, Ohnmachtserfahrung und Perspektivlosigkeit. Große Teile der Bevölkerung machen in verschiedenen Gewaltkontexten, teils auch wiederholt, traumatisierende Erfahrungen, die belastende Folgen und Symptome nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre familiäre Umgebung nach sich ziehen. Gleichzeitig sind posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) stark mit gesellschaftlichen Tabus belegt. Häufig werden sie gar nicht als solche erkannt oder mit „beruhigenden“ Medikamenten behandelt, die Patient*innen erfahren weitere Ausgrenzung und Stigmatisierung. Häusliche Gewalt, individuelle Radikalisierung und auch Suizide nehmen zu, so berichten unsere Partnerinnen von Wings of Hope for Trauma (WoH) in Bethlehem.

„Naturschutzgebiete für die Seele“

Die Organisation, deren Name sich mit Flügel der Hoffnung bei Trauma übersetzen lässt, wurde 2011 in Bethlehem gegründet. Sie verfolgt das Ziel, Menschen, insbesondere Frauen, Jugendliche und Kinder, die durch Konflikt und Besatzung traumatisiert sind, professionelle Unterstützung zu ermöglichen. In diesem Kontext arbeitet sie intensiv an der Reduzierung häuslicher Gewalt und der adäquaten Unterstützung von Frauen mit Gewalterfahrung in der gesamten Westbank.

Fachliche Kompetenz und sichere Räume, in denen belastende Erlebnisse und Erfahrungen geteilt und bearbeitet werden können sind elementare Vorrausetzungen, um Betroffenen in diesem Umfeld angemessene Unterstützung zu bieten. „Der Seele ein Naturschutzgebiet schaffen“, nennen unsere Partnerinnen von Wings of Hope for Trauma dieses Konzept. Dabei setzen sie auf einen zweigleisigen Ansatz, indem sie Kinder und Mütter bei der Bewältigung von PTBS vor Ort direkt oder durch gruppentherapeutische Angebote unterstützen. Zum anderen werden durch Ausbildungsprogramme Fachfrauen in Psychotraumatologie geschult, die anschließend in der Lage sind, bewährte Konzepte der Traumaarbeit und -bewältigung in ihrem Umfeld umzusetzen.

Langfristig Grundlagen für Frieden schaffen

Auf diese Weise wird neben der konkreten Unterstützung für Menschen mit PTBS das traumatherapeutische Angebot im Westjordanland ausgebaut. Auf lange Sicht bildet die Arbeit von WoH damit auch einen Grundstein für dauerhafte Konfliktlösung, denn wenn Menschen ihre Gewalterfahrungen überwunden und verarbeitet haben, sind sie offen für ein friedliches Miteinander – ganz gleich ob daheim oder in der Öffentlichkeit.

Projekt-Kurzinfo

Projekttitel: Ausbildung von Fachfrauen in Psychotraumatologie
Förderschwerpunkt: Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und sexualisierter Gewalt
Partnerorganisation: Wings of Hope for Trauma
Laufzeit: Januar 2023 bis Juli 2024
WGT-Beitrag: 38.902€ für die gesamte Laufzeit