Indien: Weibliche Identität als Instrument gegen Unterdrückung

Lernen sich selbst Respekt entgegenzubringen, sich als würdigen Menschen zu betrachten und den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen – das sind die Stellschrauben, an denen junge Frauen in Indien in Begleitung der gemeindebasierten Organisation Prajwala Sangham arbeiten.

Als Mädchen und junge Frau eine selbstbestimmte weibliche Identität in einer stark patriarchal geprägten Gesellschaft zu entwickeln, ist eine schwierige Herausforderung. In Indien kommt es immer wieder zur gezielten Abtreibung weiblicher Föten. Diese Ablehnung verinnerlichen viele indische Mädchen von Geburt an. Hinzu kommt, dass junge Menschen nach wie vor in einer kasten- und klassengespaltenen Gesellschaft aufwachsen, die die Geschlechterungerechtigkeit auf weiteren Ebenen verschärft.

Kunst gegen Unterdrückung

In Telangana, einem südindischen Bundesstaat, arbeitet die Organisation Prajwala Sangham gezielt mit Kindern und Frauen zusammen, die zu den am stärksten diskriminierten Menschen in Indien, den Dalit, gehören. Prajwala Sangham kämpft gegen soziale Diskriminierung, indem sie mit kunst- und theaterpädagogischen Methoden persönliche Lernprozesse bei den Mädchen und Frauen anregen. Durch Selbstreflektion erkennen diese erstmals ihre verinnerlichte Selbstablehnung und die Missachtung ihrer Würde im Zusammenhang mit der strukturellen geschlechterspezifischen Diskriminierung in ihren Biografien. Prajwala Sangham bietet hierfür einen geschützten Raum in der Gemeinschaft mit anderen Frauen, die ähnliche Diskriminierungs- und auch Gewalterfahrungen gemacht haben.

Gegenseitiger Zuspruch

In dieser Gemeinschaft helfen die Frauen einander, ihr Selbstwertgefühl aufzubauen und Handlungsfähigkeiten zu entdecken. Sie machen einander Mut sich erstmals für ihre Interessen einzusetzen, in ihrem sozialen Umfeld von ihren Entwicklungsprozessen zu erzählen oder sich zu trauen, in ihren Familien erlebte Benachteiligung anzusprechen und über Rechte von Frauen zu reden. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn Frauen werden in Indien oft von männlichen Familienmitgliedern weniger als Person denn als „Eigentum“ wahrgenommen und gelten gesellschaftlich als niedere Wesen. Allein um die Teilnahme an den Programmen der Frauenorganisation zu bitten, kann Mädchen großen Mut abverlangen und sie vor Schwierigkeiten stellen. Sie brauchen die Unterstützung der männlichen Familienangehörigen oder die Unterstützung einer beharrlichen Mutter, um sich den Themen, zu denen Prajwala Sangham Workshops anbietet, widmen zu dürfen.

Früchte ab den Wurzeln ernten

Die Organisation baut auf jahrelange Erfahrung und Erfolge auf, die auch die Mitarbeiter*innen dazu ermutigen, trotz des Gegenwindes dranzubleiben. So konnten seit 2016, der erstmaligen Unterstützung von Prajwala Sangham durch den WGT, über 13.000 Mädchen, Heranwachsende, Frauen, Polizistinnen, Frauen aus Slumgebieten und Gefängnisinsassinnen die Angebote von Prajwala Sangham nutzen. Gestärkt in der persönlichen Entfaltung und in der gesellschaftlichen Teilhabe, sind sie nun auch Mütter, Töchter, Schwestern, Freund*innen, Verwandte, Ehefrauen, Kolleg*innen, die ihr soziales Umfeld positiv beeinflussen und wichtige Impulse für den Wandel hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Gesellschaft säen.

Für Prajwala Sangham beginnt gesellschaftlicher Wandel bei den tiefsten Wurzeln, in dem die Organisation Mädchen und Frauen darin unterstützt und begleitet, erst einmal den Mantel der Selbstwahrnehmung als Unterlegene und Minderwertige abzustreifen. An die eigenen Stärken zu glauben und ein positives Selbstbild zu haben ist das, was den Widerstand in einem von Gewalt und Unterdrückung geprägten Lebensweg nährt. Es ist auch eine Fähigkeit, die insbesondere junge, heranwachsende Frauen brauchen, damit sie ihre weitere persönliche und berufliche Entwicklung und ihre Gesellschaft selbstbestimmt gestalten können.

Projekt-Kurzinfo

Projekttitel: Weibliche Identität und Geschlechtergerechtigkeit im Patriarchat: Wie Frauen Resilienz bilden und Widerstand leisten
Förderschwerpunkt: Politisches Empowerment
Partnerorganisation: Prajwala Sangham
Laufzeit: Januar 2024 bis Dezember 2025
WGT-Beitrag: 32.920 €