Kuba: Keine Chance den Ewig-Gestrigen

Die „Öffnung“ Kubas verändert auch die Kirchen vor Ort. Sie können nun vermehrt in gesellschaftlichen Bereichen wirken, die zuvor exklusiv der Kommunistischen Partei vorbehalten waren. Viele Gläubige verunsichert die neue Situation. Das ökumenische Bildungszentrum Lavastida unterstützt sie dabei, als Christ*innen diese Herausforderung anzunehmen.

Neue Spielregeln

Über viele Jahrzehnte fand christliches Gemeindeleben im sozialistischen Kuba in Nischen statt. Bewusst grenzten sich die Gläubigen ab gegenüber der glaubensfernen Mehrheitsgesellschaft. Konservative Kirchenhierarchien förderten ein patriarchales und strikt auf die religiöse Praxis beschränktes Glaubensverständnis.

Spätestens seit der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre erfreut sich das diakonische Engagement der Kirchen allerdings wachsender Wertschätzung. Die kubanischen Kirchen wollen jedoch mehr, als „nur“ die Mängel der staatlichen Sozialpolitik auszugleichen. Sie möchten, dass christliche Wertvorstellungen fest im zukünftigen kubanischen Gesellschaftsmodell verankert sind.

Herausforderung: Eigenverantwortung

 „Christliche Glaubenspraxis im kubanischen Kontext“ – unter diesem Motto ist das Ökumenische Bildungszentrum Lavastida (CCSCBGL) in Santiago de Cuba tätig. Seit Jahren arbeiten seine Mitarbeiter*innen eng mit Kirchengemeinden in der Region zusammen. Sie ermuntern die Menschen in den Gemeinden, ihre oft konservativ-fundamentalistischen Prägungen in kirchlicher Lehre und Praxis zu überdenken.

Das Zentrum ist bekannt dafür, an „die Ränder zu gehen“. Es arbeitet bevorzugt mit Kirchengemeinden, die für ihre extrem konservative Haltung in theologischen und sozialen Fragen bekannt sind. Viele dieser Gemeinden haben sich bisher strikt geweigert, sich mit Fragen der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern auseinanderzusetzen. 

Sehnsucht nach Wertschätzung und Teilhabe 

Die Leitungen sind männlich, ein Großteil der Gemeindemitglieder ist weiblich: Das ist auch in Kuba triste Realität. Die Mitarbeitenden von CCSCBGL wollen das nicht hinnehmen. Ein gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern – das ist ihr Ziel.

Das Zentrum bietet Schulungen in geschlechter-sensibler Bibel-Exegese an. Die Teilnehmerinnen lesen gemeinsam die Bibel und zwar aus einer Perspektive heraus, die Frauen wertschätzt. Für viele bietet das einen ganz neuen Zugang zu ihrem Glauben.

Darüber hinaus stärkt das Zentrum die Führungskompetenzen der Frauen und ermutigt sie, Leitungsfunktionen in der Kirche zu übernehmen.

Die Mitarbeitenden blicken jedoch auch selbstkritisch „nach innen“: Wo verhindern patriarchale Männerbilder ein partnerschaftliches Miteinander bei uns im Zentrum? Entsprechen wir unserem Anspruch von Geschlechtergerechtigkeit? Wie sieht es mit unserer Führungspraxis aus? Wie sind Aufgaben wie Kinderbetreuung, Haushalt und Pflege in unseren Familien verteilt?   

„Salz der Erde“

Diese Neuausrichtung der Gemeinden stößt jedoch auch auf Widerspruch. Zu den Schattenseiten im heutigen Kuba gehört das Erstarken konservativ-fundamentalistischer Strömungen. Sie stammen v.a. aus den USA und drohen, die bisher erkämpfte theologisch-pastorale Öffnung zunichte zu machen. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass sie mit ihrem teils dezidiert unternehmerischen Ansatz einen Keil in die Gemeinden treiben.

Deshalb sind in Kuba gerade jetzt aktive Christ*innen gefragt, die sich für die soziale Gerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern als genuin christliche Anliegen stark machen. Kuba braucht diese Frauen und Männer, die tatkräftig mitmischen in den Debatten um das künftige Gesellschaftsmodell.

Projekt-Kurzinfo

Projekttitel: Geschlechtersensible Bibelexegese – Fortbildungszyklus für kirchliche Führungskräfte 
Förderschwerpunkt: Frauenperspektiven in Kirche, Ökumene und interreligiösem Dialog
Partnerorganisation: Centro Cristiano de Servicio y  Capacitación ‚Bartolomé Gregorio Lavastida‘ (CCSCBGL)
Laufzeit: Januar 2018 bis Dezember 2019
WGT-Beitrag: 18.472€