Gemeinsam gegen Gewalt

Patriarchale Tradition, Blutrache und häusliche Gewalt sind Alltag in Albanien. Viele Frauen wollen das nicht länger hinnehmen. Sie nehmen Polizei und Behörden in die Pflicht und holen die Männer mit ins Boot.

Das unbekannte Land am Mittelmeer

Obwohl nur eine Flugstunde von München entfernt, ist Albanien für viele WesteuropäerInnen immer noch ein weißer Fleck auf der inneren Landkarte, oft ausschließlich mit Armut, Korruption und Kriminalität assoziiert.

Doch seit dem Sturz der kommunistischen Regierung 1990/91 arbeitet das NATO-Mitglied Albanien hart an seiner politischen und wirtschaftlichen Integration in europäisch-atlantische Strukturen. Seit 2014 ist es offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union.

Moderne Gesetze - archaische Traditionen

Entsprechend haben die wechselnden Regierungen gerade auf gesetzgeberischer Ebene große Schritte bei der Angleichung an europäische Normen und Standards vollzogen. Nicht ganz so zügig geht es mit der wirtschaftlichen Entwicklung voran: Der Exodus aus den ländlichen Räumen in die größeren Städte (oder auch ins Ausland) ist ungebremst.

Damit kommen teils archaische Vorstellungen von Recht und Moral in die modernen Metropolen Tirana, Durrës oder Shkodra. Gerade in den Vierteln mit hoher Zuwanderung und wenig Einkommen erlebt das mittelalterliche Recht („Kanun“) eine regelrechte Renaissance.

Nur so ist zu erklären, dass auch in der modernen albanischen Gesellschaft Blutrache und patriarchale Traditionen allgegenwärtig sind – auf Kosten von Frauen und Mädchen!

Alltägliche Gewalt

Dies führt unter anderem dazu, dass physische und psychische Gewalt gegen Frauen – ganz gleich in welcher Form – ein alltägliches Phänomen darstellt und von großen Teilen der Gesellschaft als „normal“ angesehen wird.

Trotz fortschrittlichster Gesetzgebung, z.B. im Bereich häuslicher Gewalt, gibt es kaum Anlaufstellen oder schützende Strukturen für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt – weder im familiären Umfeld noch von staatlicher Seite. Ein Umstand, den die Partnerorganisation des Weltgebetstags, Human Rights in Democracy Center (HRDC), schon lange skandalös findet.

Steter Tropfen höhlt den Stein

Nun sind unter den beschriebenen Rahmenbedingungen keine Wunder möglich. Doch hat es HRDC durch jahrelange engagierte Arbeit geschafft, die rechtsstaatlichen Institutionen für das Thema „Gewalt gegen Frauen“ in Nordalbanien zu sensibilisieren und vor Ort ein Netzwerk zu schaffen, innerhalb dessen Frauen mit Gewalterfahrung Unterstützung erhalten, z.B. hinsichtlich Rechtsberatung, Vertretung vor Gericht oder beim Neuanfang nach der Trennung vom Gewalttäter.

Verantwortliche ins Boot holen

Bemerkenswert ist dabei HRDCs Strategie, PolizeibeamtInnen, ärztliches Personal oder Angestellte des öffentlichen Dienstes in die Pflicht zu nehmen und durch konsequente Sensibilisierungs- und Professionalisierungsmaßnahmen so fortzubilden, dass Überlebende von Gewalt die Unterstützung finden, die ihnen laut Gesetz zusteht.

Inzwischen wird auf den Polizeistationen in Tropoja keine Frau mehr zurück nach Hause geschickt, die vor den Schlägen ihres Mannes geflohen ist!

Gute Erfolge zeigt auch HRDCs Präventions- und Aufklärungsarbeit an Schulen und Universitäten – gerade bei jungen Männern und Frauen, die sich eine Partnerschaft auf Augenhöhe wünschen!

 

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Projekttitel: Gegen häusliche Gewalt und Diskriminierung im ländlichen Albanien
Ort/Region: Gemeinde Tropoja/Nordalbanien
Förderschwerpunkt: Geschlechterspezifische Gewalt
Partnerorganisation: Human Rights in Democracy Centre (HRDC)
Laufzeit: Januar 2017 bis Dezember 2019
WGT-Beitrag: 61.753€