Weltgebetstag im Frauen-Gefängnis

Solidarisch teilen beim Weltgebetstag: Teilnehmerinnen einer Werkstatt in Vorbereitung des Weltgebetstags 2017 im Sommer 2016

Vielen Dank für die zahlreichen Nachrichten und Berichte zum Weltgebetstag 2017, die Sie an uns in die Geschäftsstelle des Weltgebetstags Deutschland in Stein bei Nürnberg geschickt haben. Eine ganz besondere Rückmeldung erreichte uns heute aus Hessen. Seit vielen Jahren feiern Frauen dort in einem Gefängnis den Weltgebetstag.

Den persönlichen Bericht einer der Organisatorinnen möchten wir gerne mit Ihnen teilen:

Nicht im Namen des Volkes, sondern im Namen Gottes

An einem Sonntagmorgen Anfang März 2017 habe ich mich aufgemacht, um den Weltgebetstags-Gottesdienst der Frauen aus den Philippinen gemeinsam mit den beiden Gefängnis-Seelsorgerinnen, einer Praktikantin und den inhaftierten Frauen zu feiern.

Der Gottesdienst darf nur eine Stunde dauern, soll aber in drei Sprachen gehalten werden – eine schwierige Aufgabe. So hat sich das Vorbereitungsteam die elementaren Gottesdienstteile herausgesucht, die dann in drei Sprachen – deutsch, englisch und spanisch – vorgetragen werden.

Um neun Uhr werden die inhaftierten Frauen von den Bediensteten in den Gottesdienstraum gebracht und sofort ist ein Stimmengewirr aus verschiedenen Sprachen und fröhliche Anspannung im Raum.

Unser Vorbereitungsteam zieht mit einigen von der Gefängnisleitung  genehmigten Gegenständen  ein: Die Justitia-Figur, eine Schale Reis, eine frische Mango und ein Teller mit getrockneten Mango-Stücken. Eine Gruppe von Frauen hat mit einem Chorleiter die ausgewählten Lieder der Gottesdienstordnung im Vorfeld geübt und begeistert alle sofort mit ihrem Gesang.

Drei Frauen tragen die Frauenschicksale von Merlyn, Celia und Editha vor und es wird spürbar, dass die inhaftierten Frauen, die aus der ganzen Welt stammen, genau solche Geschichten und Schicksale kennen, bzw. am eigenen Leib erlebt haben. Die Frage nach Gerechtigkeit bekommt in der Situation des Gottesdienstes im Frauengefängnis eine neue Tiefe und auch Schärfe, derer ich mir bisher nicht bewusst war. Der Bibeltext von den Arbeitern im Weinberg spricht mitten in das Leben der inhaftierten Frauen. Unser menschliches Gerechtigkeitsdenken wird hier ganz stark hinterfragt. Jesus lehrt, dass in Gottes Reich andere Maßstäbe gelten: Jede und jeder bekommt das, was er oder sie wirklich zum Leben braucht.

Die indigene philippinische Tradition des Dagyaw wird im Gefängnisalltag sichtbar, wenn die Frauen z.B. gemeinsam auf den Stationen kochen, jede etwas dazu beisteuert und auch die mitessen darf, die gerade nichts hat. Wir teilen im Gottesdienst heute getrocknete Mango-Stücke miteinander und das Lied „Let justice roll down“ geht Vielen zu Herzen.

Am Ende des Gottesdienstes wird eine Frau, deren Entlassung bevorsteht und die in ihr Heimatland zurückkehren darf, auf ihren eigenen Wunsch von den Seelsorgerinnen gesegnet – ein bewegender Moment.

Ich verlasse das Frauengefängnis und muss immer wieder über den Gottesdiensttitel „Was ist denn fair?“ nachdenken. Gottes Gerechtigkeit ist anders, als die von uns Menschen gemachte. Ich glaube, dass das für die inhaftierten Frauen in diesem Weltgebetstags-Gottesdienst spürbar geworden ist.

Vielen Dank für diesen bewegenden Einblick in den Gottesdienst zum Weltgebetstag 2017 von den Philippinen!

Foto: Solidarisch teilen beim Weltgebetstag: Teilnehmerinnen einer Werkstatt in Vorbereitung des Weltgebetstags 2017 im Sommer 2016, © Ulrike Kothe